Es zählt nicht, wie oft Du hinfällst, sondern dass Du immer wieder bereit bist, aufzustehen.
Nach dem Sieg beim Baden-Marathon, dem Mannschaftstitel bei den deutschen Meisterschaften (10km) und dem geilen Rennen am Sonntag am Gardasee kann ich endlich für mich sagen, dass ich mein sportliches Comeback geschafft habe.
Die Halbmarathon-Distanz und ich sind alles andere als die Liebe auf den ersten Blick. Mein gemeinsames Debüt mit Julian Flügel in Breda 2013 in 66:09 war wegen des schwierigen Rennverlaufs gerade noch zufriedenstellend, 2014 in den Haag konnte ich wegen Magenproblemen nur ins Ziel joggen und 2015 in Berlin konnte ich wegen meiner Verletzung, die sich wie Kaugummi bis in den August zog, das Rennen nicht beenden (das zweite Mal in meinem Leben).
Am Gardasee sollte nun alles anders werden obwohl die Vorbereitung nach dem ausgestandenem Traktus-Syndrom und wegen meiner Ödeme im dritten und vierten Mittelfußknochen natürlich nicht perfekt war. Andererseits war ich motivierter und positiver eingestellt als jemals zuvor. Ich war dankbar für jede einzelne harte Trainingseinheit, die ich beenden konnte, jeden einzelnen Dauerlauf bei dem ich nicht frustriert heimgehen musste und vor allem für das große Privileg schmerzfrei an der Startlinie zu stehen.
Die Strecke am Gardasee ist für das laufende Auge wunderschön und die mehr als 5000 Starter/innen konnten die pure Schönheit des Laufens bei sommerlichen Temperaturen genießen. Darum ging es bei mir heute nicht: Ich wollte eine neue deutliche Bestzeit und, bei idealen Bedingungen, auch die Norm für die Europa-Meisterschaften in Amsterdam erreichen. Dort wird nächstes Jahr die Premiere im Halbmarathon als Ersatz für den Marathon statt finden, da zwei Marathons bei den Europameisterschaften und den olympischen Spielen in weniger als zwei Monaten nicht sinnvoll ist.
Bereits am Start um 10 Uhr wurden in Riva del Garda an der Nordseite des Gardasees um die 20 °C im Schatten gemessen. Dies ist für absolute Topzeiten nicht optimal, aber ich komme dank meiner Zeit in den USA sehr gut mit Wärme klar und blieb positiv. Als viel problematischer stellte sich hingegen meine Konkurrenz heraus. Vom ersten Meter an hatte niemand, außer mir, Interesse an einer guten Zeit und so führte ich nach Rückenwind und einer abschüssigen Passage zwei starke Afrikaner (beide sind dieses Jahr schon deutlich unter 64:00 gelaufen) und einen Ukrainer (Bestzeiten 64:12 und 2:12:54) in 12:00 Minuten durch die 4 km-Marke.
Von dort an ging es die nächsten 7 km stetig leicht bergauf und wir hatten permanent böigen Gegenwind. Immer wieder forderte ich meine drei Konkurrenten zur Hilfe auf, doch sie drückten nur voll auf die Bremse, wenn sie denn überhaupt mal vor gingen. Durch den Wind und diese Spielchen verloren wir auf den nächsten beiden Kilometern sehr viel Zeit, sodass ich entschied nun viel Kraft zu investieren und mein Ding von vorne zu machen. Hinsichtlich der km-Angaben muss ich dazu sagen, dass sie nur einen sehr groben Richtwert darstellen, da zwischen 2:32 min/km und 3:36 min/km bei mir angeblich alles dabei war.
Die 10km-Marke passierten wir dann immerhin noch nach 31:00 Minuten, bevor es über Kopfsteinpflaster durch die eckigen Altstadtgassen von Arco ging. Auf diesem schwierigen Stück sprinteten die beiden Afrikaner ganz plötzlich an mir vorbei und rissen eine Lück von ca. 20 Metern. Doch ich war mental sehr stark und redete mir Mut zu, dass ich sie auf dem nächsten Kilometer wieder einholen würde. Dies gelang mir auch auf dem leicht abfallenden Stück entlang eines bilderbuchreifen Kanals, der zurück zum Gardasee führte. Leider drosselten sie das Tempo, als ich sie eingeholt hatte, sodass ich von nun an wieder bis Kilometer 17 alleine das Tempo hoch halten musste. Kurz bevor wir vom Kanal an das Ufer des Gardasees abbogen, traten die beiden Afrikaner sehr entschlossen an. Ich ließ sie bewusst ziehen und erhöhte mein Tempo gleichmäßig, sodass ich meinen ukrainischen Mitstreiter abschütteln konnte und den Abstand (30-40m) auf die beiden Führenden halten konnte. Jean Simukekka (Bestzeit 62:24) aus Ruanda konnte das Tempo von Jonathan Kosgei aus Kenia kurze Zeit später nicht mehr halten und fing an sich ständig umzudrehen, sodass ich alles investierte, um mich an ihn ran zu saugen.
Passenderweise stellte ich ihn genau neben dem Tunnel, wo sich James Bond zu Beginn des Films Quantum Trost eine etwas andere Verfolgungsjagd lieferte. Die letzten zwei Kilometer waren mit den vielen Ecken, kleinen Brücken und wechselndem Straßenbelag eine große Herausforderung. Eingangs einer besonders engen 90°-Kurve pushte ich richtig hart und versuchte mich ca. 1,5km vor dem Ziel zu lösen. Er konnte allerdings kontern und trat im direkten Gegenzug voll an um mich abzuschütteln, doch ich wollte den zweiten Platz heute mehr als er und konnte an ihm dran bleiben. Wie in guten alten Zeiten auf der Bahn legte ich dann alles in die finalen 400m, 200m vor Ende konnte xy gleich ziehen, ich legte noch einen Gang zu und konnte ihn mental brechen. Ich freute mich riesig über den zweiten Platz bei diesem traditionell stark besetzten Halbmarathon und war im Ziel in 65:12 Minuten sogar nur den Hauch von 6 Sekunden vom Sieg entfernt.
Nach allem was dieses Jahr war, ist das ein gigantischer Erfolg für mich und die vielen teuren Arztbesuche, frustrierenden Alternativtrainings und emotionalen Ratschläge haben sich alle für diesen Halbmarathon, der alles geboten hat, was ein echtes Rennen ausmacht, gelohnt.
Ergebnisse gibt es hier.
Ich weiß nun, dass ich bei idealen Bedingungen die Norm für die Europameisterschaften in Amsterdam laufen und es mit einigen Afrikanern aufnehmen kann.