Das ganze Jahr 2015 hat unser Team diesem Tag entgegen gefiebert. Für uns war der Titel bei den Deutschen Straßenlaufmeisterschaften über 10km das ganz große Ziel. Mir war es persönlich unglaublich wichtig der Mannschaft zu helfen, nachdem ich im Frühjahr bei der Cross-DM überhaupt nicht zurecht kam und die Halbmarathon-DM verletzungsbedingt erst gar nicht antreten konnte.
Nachdem ich bis Ende Juli so gut wie gar nicht laufen konnte, lief es dann im August wieder rund und ich konnte endlich, endlich wieder vier Wochen am Stück belasten. Gegen Ende des Trainingslagers im Allgäu zogen jedoch wieder dunkle Verletzungswolken auf. Mein rechter Mittelfuß schmerzte nach jeder Laufeinheit. Am Ende der vierten Trainingswoche waren die Schmerzen sogar so intensiv, dass ich kaum noch auftreten konnte. Der Verdacht eines Ermüdungsbruchs im Mittelfuß haute mich, nach allem was dieses Jahr passiert ist, so kurz vor den Deutschen Meisterschaften komplett um.
Schon am nächsten Tag wurde per MRT festgestellt, dass ich zwei Knochenödeme (Wassereinlagerungen) im dritten und vierten Mittelfußknochen des rechten Fußes habe. Der Radiologe warf mich mit seiner Diagnose mindestens sechs Wochen komplett auf Lauf-, Cross- und Radtraining zu verzichten in ein sehr tiefes Tal. Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben. Dafür bedeutet mir meine Mannschaft zu viel. Dr. Matthias Kieb vom OSP Berlin, den ich auf meiner Japanreise letztes Jahr kennengelernt habe, hatte noch einen Funken Hoffnung für mich. Auch wenn ein Start bei der DM in weiter Ferne war, gab es die kleine Chance, dass der Fuß nach zwei Tagen Pause, fünf Tagen Training auf dem Alter-G bei 60% meines Körpergewichts und einem Tag Alter-G bei 80% so schnell heilen würde, dass ich am Tag vor der DM einen schmerzfreien Dauerlauf von 35 Minuten machen könnte. Die ganze Woche dachte ich positiv und gewann von Einheit zu Einheit mehr Hoffnung und so stand ich vergangenen Sonntag tatsächlich in Bad Liebenzell an der Startlinie.
Ich entschied mich dazu sehr schnell zu starten, um den Rangeleien und eventuellen Stürzen aus dem Weg zu gehen. Durch das Training auf dem Laufbahn hatte ich mein Tempogefühl ziemlich verloren und so war ich ziemlich überrascht, dass der erste Kilometer knapp unter 2:50 war. Auf der ersten eineinhalb von vier Runden konnte ich lange die Gruppe meines Mannschaftskollegen Julian Flügel halten, was ich mir vorher nicht in meinen kühnsten Träumen ausgemalt hätte. Erst gegen Ende der zweiten Runde musste ich etwas reißen lassen und war dann die ganze dritte Runde alleine zwischen Julians und einer großen Gruppe hinter mir mit Sebastian Reinwand unterwegs. Doch ich war an diesem Tag mental richtig stark und konzentrierte mich nur auf die Jungs vor mir ohne noch ein einziges Mal auf die Uhr zu schauen. Eingangs der letzten Runde kam dann die große Gruppe mit Basti vorbei, der mir zurief „Komm häng dich einfach ein und bring es sicher zu Ende.“ Gesagt, getan: bis 500m vor dem Ende konnte ich dran bleiben und wir schafften sogar den Anschluss an die Gruppe mit Julian, sodass wir kurz vor dem Ziel wieder 11 Leute waren. Normalerweise kann ich aus so einer Gruppe oft den schnellsten Spurt ziehen, aber heute fehlte trainingsbedingt jegliche Laktattoleranz, sodass mir doch noch viele Läufer enteilten. Dennoch war der Zieleinlauf unfassbar schön. Die Gewissheit den so lang ersehnten Mannschaftstitel gewonnen zu haben, fast gleichzeitig mit Julian und Basti gefinisht zu haben und mit dem Training 29:49 gelaufen zu sein, hat den Schmerz der letzten Monate überstrahlt.
Ich kann euch sagen, dass ich seit Langem nicht mehr so glücklich und erleichtert war!
Fotos: Theo Kiefner